Laut gedacht

Laut gedacht

Als ich mit meiner Schwester im Thailandurlaub war, hat uns die Musik von Ed Sheeran regelrecht verfolgt. Und auch wenn es meist thailändische Coverversionen waren, hat mich einer der Songs zum Nachdenken gebracht: Thinking out loud. Laut denken ist etwas, was ich mich nicht wirklich oft traue. Es könnte sich ja jemand auf den Schlips getreten fühlen, ich könnte ausgelacht werden oder im schlimmsten Fall einfach recht haben.

Und wenn ich hier gerade auf der Couch hänge und so durch die Instagramwelt wandere, kommt mir wieder der ein oder andere Gedanke. Doch heute mache ich es einfach mal wie Ed. So wie er lässig auf seiner Gitarre zupft, so tippe ich entspannt auf meine Tastatur und – denke laut.

Swipe up or get swept!

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Swipe up or get swept – Wisch hoch oder werde weggewischt!

Heißt es nicht, dass die Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen nur ein paar Sekunden beträgt? Eine Instastory hat 15 Sekunden. 15 Sekunden, in denen ich meine Message spreaden möchte. In denen ich Ideen teilen will. In denen ich so viel Content wie möglich in die Welt bringen möchte. Oft recht freundlich, meistens durchdacht und immer mit dem Wissen, dass die Texte, die ich schreibe nur von einem Bruchteil gelesen wird.

Also offen gesprochen: wer unterbricht seine Instastory, um auf mein Profil zu gehen, auf den linktr.ee zu klicken um sich meine Verlinkung anzusehen? Denn ich swipe auch lieber, als mich durch den Insta-Dschungel zu klicken. Und wie viele Leser über linktr.ee tatsächlich auf meinen Blog kommen, kann ich übrigens nicht sehen – denn dazu braucht man einen Premium-Account! Achja, da war ja was… 

Das Smartphone hat unser Internetverhalten revolutioniert – uns aber gleichzeitig auch zu den faulsten Wesen der Geschichte gemacht. Je weniger Klicks, desto besser. Am besten nur mit einem Finger. Wir verbringen im Durchschnitt nur 40 Sekunden auf einer Website. Wenn du bis hierhin gelesen hast, dann lies schnell weiter, denn die Zeit läuft bald ab.

Die Entwickler von Instagram wissen natürlich, dass die Swipe-up-Funktion ein Segen für jeden Blogger ist – und genau deshalb ist sie zum Privileg geworden. Premium – du erinnerst dich? Schaffst du es 10.000 Menschen für dich und deinen Inhalt zu begeistern? Dann schenken wir dir diesen kleinen wertvollen Pfeil. Denn je größer der Nutzer, desto mehr Werbepartner kann er generieren und am Ende profitiert immer Instagram – Ka-ching!

Immerhin bin ich nicht die Einzige, die die Swipe-up Funktion gerne hätte. Bei Google sind die ersten Suchbegriffe nach “Swipe up” – “ohne”, “without” und “senza” ohne 10.000 Follower. Es gibt zahlreiche Videos für Hacks und Tricks, um das Hochwischtool irgendwie über Umwege doch freizuschalten. Funktionieren übrigens alle nicht…haha.

Es geht mir nicht um Zahlen, denn ich bin schon glücklich wenn ich eine einzige Person mit einem Impuls zum nachdenken und hinterfragen anregen kann. Ich freue mich für all meine Greenbloggerkolleginnen, dass sie erfolgreich sind, dass ihre Stimme gehört wird, dass sich da eine Community entwickelt, die super schnell wächst und wirklich was bewegen kann. Also was will ich eigentlich? Einfach nur teilen – denn verkaufen können die anderen ruhig weiter.

Es gibt einfach so viele Inhalte, Texte, Studien, Videos und Bilder, die ich gerne auf schnellem Weg teilen möchte – und genau das wird mir unter 10k verwehrt. Werde ich jemals dort ankommen? Was soll ich noch tun, außer jeden Tag erreichbar zu sein, Bilder zu teilen und informative Storys vorzubereiten? Bin ich festgefahren? Verkrampft? Werden meine Inhalte uninteressant? Bin ich nicht laut genug? Oder ist Instagram doch zur Oberflächlichkeit verdammt?

Heißt es nicht immer, dass die Leute schon kommen werden, wenn die Inhalte erst interessant genug sind? Oder sind es am Ende eben doch die hübschen Bilder, die zählen? Fehlen mir doch die Walla-Walla-Haare, Größe 36 und eine hygge-skandinavisch eingerichtete Wohnung? Ich möchte das nicht glauben. Aber was ist es dann?

Bremse ich mich wohlmöglich selbst?

Je größer der Account wird, desto größer auch die Verantwortung. Vielleicht macht mir das tatsächlich ganz tief im Inneren Angst. Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es so viele Menschen da draußen gibt, die ich nicht kenne und die dennoch interessiert was ich tue, wofür ich stehe und brenne. Gleichzeitig frage ich mich natürlich auch, ob Instagramer mit über 100.000+ Followern sich ihrer Verantwortung überhaupt bewusst sind. Warum fühlt sich diese Frage nur so rhetorisch an? Upsi…zu laut gedacht!

Bis zu den 10.000 Followern dauert es wohl noch – lange, lange, lange. Aber ich bleibe dran und bis dahin kämpfe ich wie Sigfried der Drachenbändiger gegen den Linktr.ee und melde das Patent für den Hashtag #linkinbio an. Und wie singt Ed Sheeran in seinem Song “Castle on the hill” so schön?

I’m on my way…

Denken Oscar Wilde
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