Fairteilen – Warum Teilen dich glücklich macht

Sonnenblume

Bei einem unserer ersten Dates sind wir zum kleinen veganen Vietnamesen um die Ecke gegangen. Ein Familienbetrieb, in dem alles frisch zubereitet wird. Wir aßen beide veganes Bún nem ran – mit Stäbchen. Doch für die letzten Bissen waren unsere Chopstick-Skills nicht gut genug, also fragten wir nach einem Löffel. Und wir bekamen einen – also nur einen. Teilen wir, ja?, sagte uns die Kellnerin. Und so teilten wir den Löffel, so dass immer einer aß und der andere erzählte. Seit diesem Tag ist Teilen wir, ja? eine unserer Lebensregeln.

Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass der Gedanke des Teilens wieder neu aufflammt. Als Kind war Teilen für mich absolut normal, nicht zuletzt weil ich eine Schwester habe und Teilen für uns ganz selbstverständlich war. Erst später habe ich realisiert, dass es für viele eben nicht selbstverständlich ist. Dass es Menschen gibt, die so viel Geld haben, dass sie es in ihrem Leben nicht ausgeben werden. Und dass es auf der anderen Seite Menschen gibt, die so wenig haben, dass sie nicht wissen, ob sie den nächsten Tag erleben werden.

8 Millionäre besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - Teilen macht glücklich!

Als Erwachsene habe ich diesen Zustand irgendwann einfach hingenommen. Was soll ich schon machen? So lange ich nicht selbst davon betroffen bin und gut über die Runden komme, brauche ich mich damit ja auch nicht zu beschäftigen. Als ich aber vor einiger Zeit gelesen habe, dass die 8 reichsten Männer auf der Welt so viel besitzen, wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Alleine Bill Gates besitzt 85 Milliarden US-Dollar – eine Zahl unter der ich mir nichts vorstellen kann. In einer Minute verdient Bill Gates mehr als ein Angestellter in Deutschland. Wo ist da die Relation?

Erst vor ein paar Tagen war er in den Schlagzeilen, weil er wieder eine große Summe gespendet haben soll. Und überhaupt hat Bill Gates mit seiner Frau Melinda die Bill und Melinda Gates-Stiftung gegründet, die armen Menschen ein besseres Leben ermöglichen soll. Was sich auf den ersten Blick sehr ehrenhaft anhört, zeigt nach kurzer Recherche allerdings sein wahres Gesicht. Die Partner der Stiftung sind nämlich unter anderem Coca-Cola, Goldman Sachs und Monsanto. Menschen hintenrum ausbeuten und ihnen dann vermeintlich helfen – alles andere als ehrenhaft!

Sharing is caring

Ich kann die Verantwortung also nicht abgeben, in dem ich darauf hoffe, dass die Reichen den Armen helfen. Und dann habe ich verstanden, dass es gar nicht immer nur um Geld geht. Sondern es geht um das Teilen an sich. Sharing is caring. Wenn jeder das teilt, was er am besten kann oder weiß, dann würden sich viele Probleme doch von selbst auflösen.

Ich beobachte oft, dass Menschen Angst haben ihr Wissen zu teilen, weil sie denken, dass jemand anderes mehr Profit daraus schlagen könnte. Aber Wissen kann einem doch nicht weggenommen werden, es ist schließlich in unseren Köpfen. Geteiltes Wissen kann unsere Welt doch nur reicher machen. Und doch beweisen Patente, Urheberrechte und hohe Studiengebühren, dass Wissen eben nicht für jeden zugänglich sein soll. Wissen wird Menschen ohne Geld vorenthalten.

Und doch gibt es eine Bewegung in die andere Richtung. Seit einigen Monaten höre ich Podcasts, die genau das tun: Wissen kostenlos raushauen. Anfangs habe ich das nicht verstanden. Muss ich für die Informationen gar nichts zahlen? Doch irgendwann habe ich begriffen, dass viele dieser Menschen ihr Wissen einfach weitergeben wollen, damit andere davon profitieren. Einfach geben – ohne zu nehmen. Weil es sie erfüllt.

Kann Teilen wirklich glücklich machen?

Während Kinder jedes Jahr zu St. Martin begreifen, dass Teilen glücklich macht, kommt dieser Gedanke auch so langsam wieder in den Köpfen der Erwachsenen an. Essen, Autos, Kleidung, Wohnungen, Haustiere – alles wird geteilt. Wir haben alles im Überfluss, so dass es nicht mehr notwendig ist, dass jeder ein eigenes Auto fährt oder Kleidung in seinem Schrank hortet, die er sowieso nicht mehr trägt, nur um sie einfach zu besitzen.

Doch neben diesen materiellen Dingen, passiert das eigentlich faszinierende vor allem, wenn Menschen immaterielle Dinge teilen. Freude, Glück, Wissen, Vertrauen oder Liebe. Da entzweit man nicht einfach etwas und gibt es dann weiter, sondern alles bleibt Ganz und wird beim Teilen sogar verdoppelt.

Und genau das ist doch der Clou. Wenn wir teilen, dann geben wir nicht einfach die Hälfte weg. Sondern das Teilen gibt etwas zurück. Wenn eine Frau beispielsweise ein Kind bekommt, dann tut sie alles für ihr Baby – bedingungslos. Am 18. Geburtstag bekommt das Kind keine Liste, auf der steht, wie oft es gewickelt wurde, wie oft die Eltern nachts aufstehen mussten, um es zu füttern oder wie viele Hosen sie in den letzten 18 Jahren für das Kind gekauft haben. Für die eigenen Kinder tun Eltern alles! Weil das einfach in unserer Natur liegt. Wir schenken unseren eigenen Kindern Liebe, Geborgenheit, Sicherheit – ohne etwas dafür zu verlangen.

Wieso fällt es uns dann so schwer auch mit anderen Menschen zu teilen?

In unserer Gesellschaft hat sich über Jahrhunderte etwas entwickelt, das wir einfach so hinnehmen. Alles wird bestimmt: Wem welches Land gehört, wer welche Rechte hat, wer Zugang zu Wasser hat. Aber wer bestimmt das eigentlich? Wieso darf mir jemand Menschenrechte geben – oder sie mir sogar entziehen? Warum sind manche Menschen dazu befähigt zu bestimmen, in welches Land ich reisen darf und in welches nicht? Wieso darf mir jemand Zugang zu Wasser verwehren? Wie können all diese Dinge irgendjemanden gehören? Wem gehört die Erde? Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass all diese Konstrukte menschengemacht sind. Denn im Prinzip gehört alles jedem oder noch besser: nichts gehört irgendjemandem. Niemand hat eine Lizenz auf diesen Planeten. Und wenn jemand glaubt einem anderen Rechte geben zu können, lautet meine Frage: Und wer bist du, dass du etwas kannst, was ich nicht darf?

Und so ist Teilen etwas, was ein tiefgründiger Teil unserer Selbst ist, den wir in unserer Konsumgesellschaft gekonnt verdrängt haben. Denn der Mensch wird darauf getrimmt so viel besitzen zu wollen, wie nur irgendwie möglich. Alles muss immer etwas kosten, kostenlose Dinge können nichts taugen – darauf sind wir konditioniert. Reichtum als höchste Prämisse, bis klar wird, dass man seinen Porsche und die 100 Paar Schuhe nicht mit ins Grab nehmen kann. Dass einem materielle Dinge nichts geben.

Ich habe letzte Woche mit Hilfe von Kerstin Plum, Beraterin für Reduktion und Klarheit im Raum, angefangen meine ganze Wohnung zu inspizieren und Dinge auszusortieren, die hier überflüssig sind. Noch am gleichen Tag habe ich einige Sachen ins Internet gestellt, die ich verschenken wollte. Und als all die Dinge abgeholt wurden und ich von einer Abholerin sogar Blumen als Dankeschön geschenkt bekomme habe, habe ich es wieder gemerkt: Teilen macht glücklich!

Khalil Gebran - Geben

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