Kein aber.

Schicksal oder Zufall? Egal woran man glaubt, manchmal passieren einem Dinge, die einfach genau zur persönlichen Situation passen. So auch neulich, als ich auf der Arbeit mal wieder feststellen musste, dass man nicht mal ganz aus der Tür sein muss, ohne dass über einen geredet wird. Nein. Es ging nicht um mich. Ich war nur stiller Beobachter. Habe nicht mitgemacht. Auch, wenn ich mich nicht davon freisprechen kann, dass ich da selber manchmal beteiligt bin. Aber in dem Moment habe ich mich eben gefragt. Wie ist das eigentlich, wenn ich mal nicht im Raum bin. Was würden die anderen reden. Würden sie überhaupt? Und wäre das schlimm? Denn ich würde es ja nicht mitbekommen.

Genau am nächsten Tag habe ich beim Scrollen folgenden Tweet entdeckt.

Und das ist es. Das kleine Geheimnis der Empathie. Mehr ist es nicht. Sich fragen, wie man sich selbst dabei fühlen würde. Und trotzdem für viele schon zu viel. Wer möchte, dass über einen geredet, spekuliert, gelästert wird? Niemand. Wer redet, spekuliert, lästert? Fast alle. Der Wie-würde-ich-mich-dabei-fühlen-Gedanke kommt nur selten auf. Zu sehr vergnügt es uns. Schweißt uns zusammen. Frischt langweilige Bürogespräche auf. Diese fiese süße Lästerei.aber

Und bei Konfrontation? Da kommen dann nur viele viele Abers und Ausreden. Denn wir wollen keine vermeintlich schlechte Menschen sein. Keine Lästermäuler. Klatschtanten. Nö. Den Schuh ziehen wir uns ausnahmsweise nicht an. Wenn jemand andere Vorstellungen, Werte und Normen hat, dann hat er es nicht anders verdient, ist selber Schuld – oder noch besser, redet wahrscheinlich auch über uns. Die Aufzählungen an Legitimierungen finden kein Ende. Aber, wenn man sich für sein Handeln rechtfertigen muss, dann ist das doch das erste Anzeichen dafür, dass man es hinterfragen sollte.

Warum ist das für viele so schwer sich in andere Personen hineinzufühlen und für andere wiederum so einfach? Oder ist vielleicht gar nicht schwer? Ist es manchen schlicht und einfach egal? Können andere einem egal sein? Ist nicht in jedem von uns irgendwo ein Fünkchen Empathie vergraben?

Viele behaupten von sich empathisch zu sein – aber das zu sagen reicht eben nicht. Man muss auch so handeln. Und empathisch handeln heißt bedingungslos und aufrichtig zu handeln. Man trifft mit sich selber eine Abmachung. Und zwar andere nicht zu verurteilen, nicht schlecht über sie zu reden und sie nicht zu belächeln. Und auch, wenn wir uns bemühen, uns in andere hineinzuversetzen, heißt das immer noch nicht, dass wir fühlen können, was andere fühlen. Das können wir nicht. Niemals.

Deshalb gilt es uns selber zu fragen, warum wir überhaupt das Bedürfnis haben, über eine Person schlecht zu reden. Am Ende hat das nämlich nur etwas mit uns selbst zu tun. Warum sind wir genervt, warum finden wir denjenigen komisch? Weil derjenige anders ist oder weil vielleicht wir derjenige sind, der anders ist? Haben wir nicht ein Problem mit dem anderen, weil er unsere Vorstellung nicht teilt? Ist das am Ende dann seine Schuld oder unsere? Sind einzig unsere Vorstellungen die richtigen? Gibt es überhaupt richtige? Und wenn es diese nicht gibt, wieso erlauben wir uns dann überhaupt, andere Vorstellungen zu verurteilen?

Hat Lästern also etwas mit der eigenen Unzufriedenheit zu tun? Mit Neid, Missgunst und fehlender Selbstreflektion? Jetzt bitte kein aber.

Ich weiß wie schnell man in den Lästermodus kommt. Einfach so. Ohne groß drüber nachzudenken. In dem Moment ist uns egal, wie sich der andere fühlt oder ob unser Gerede irgendwelche Auswirkungen hat. Aber das hat es. Am Ende vor allem auf uns selbst. Denn der andere bekommt es meistens gar nicht mit. Aber es macht was mit uns. Etwas häßliches. Und deshalb habe ich für mich eine Entscheidung getroffen.

Ich möchte nicht, dass jemand schlecht über mich redet – also rede ich auch nicht mehr schlecht über andere.

 

hesse

 

Liked it? Take a second to support Serintogo on Patreon!
Become a patron at Patreon!

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.