Wie besinnlich!

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Wecker 7:30. Ich koche Tee und suche die Liste mit den Sachen, die ich heute auf keinen Fall vergessen darf. Ja, ich hätte meinen Koffer natürlich gestern Abend packen können und ja, ich hätte auch gestern noch die Bude putzen können, bevor ich jetzt drei Tage in die Heimat fahre, um mit meiner Familie die Feiertage zu verbringen. Aber ich habe scheinbar den Drang mich selber zu stressen, wenn es sonst keiner tut.

Also stolper ich mit dem viel zu vollen Koffer, meiner Tasche und dem Müll aus dem Haus. Müll wegbringen und los geht’s erstmal noch ins Büro. Nachdem ich den obligatorischen Kaffee geholt hab und es irgendwie geschafft habe mit Sack und Pack an der Bahnhaltestelle anzukommen und nur ein bisschen Milchschaum über meine Hand gelaufen ist, klingelt mein Handy. Wow. Heute ist also der Tag, an dem ich das erste Mal in meinem Leben peinlich mit einem Headset telefoniere, weil ich keine Hand frei habe. Ich versuche zu flüstern und schaue beim Bahnfahren aus dem Fenster, damit ich nicht sehen muss, wie die Leute die Augen verdrehen. Fahrkarten bitte. Nicht euer Ernst! Wo ist bitte die versteckte Kamera? Ich bitte die Kontrolleurin meinen Kaffeebecher zu halten, um mein Ticket rauszukramen, merke, dass ich an dieser Haltestelle aber auch aussteigen muss und schaffe es noch knapp nicht noch weiter zu fahren. Darüber, dass die Rolltreppe kaputt ist, kann ich nur noch lachen. Noch ein paar Meter, dann hab ich es geschafft.

Was ich bisher allerdings nicht geschafft hab ist zwischen solchen Katastrophen irgendwie in Weihnachtsstimmung zu kommen. Dieses besinnliche Gefühl zu erlangen. Das, worum es bei dem ganzen Hickhack eigentlich geht. Glühwein, Kekse, Weihnachtssongs im Radio, zig Weihnachtsfeiern, Love Actually gucken, Geschenke besorgen, den Adventskalender plündern,  über den Weihnachtsmarkt schlendern und noch mehr Glühwein. Das alles hat in den letzten Wochen nicht geholfen. Und, wenn ich mir die anderen Leute so angucke, die abgehetzt durch die Stadt laufen oder genervt am Bahnsteig stehen, dann glaube ich, dass wir alle das gleiche Problem haben.

Man soll gezwungenermaßen runterkommen, sich besinnlich fühlen, den ganzen Stress abwerfen. Aber wie kann man das, wenn es einen stresst sich auf diese drei Tage vorzubereiten. Wie schafft man es da, sich nicht mit allen zu verkrachen, weil man aus dem Alltag gerissen wird und plötzlich auf einem Haufen hockt. Mit den Gedanken ganz woanders.

Natürlich sind wir alle gerne mit unseren Liebsten zusammen. Aber irgendwie klappt das spontan besser. Oder wenn man einfach sonntags bei den Eltern zum Essen ist.

Und weil wir das in unserer Familie alle so sehen, gehen wir die Weihnachtstage mittlerweile ganz gechillt an. An Heiligabend ganz traditionell. Aber dann mit einem Tag Pause. Am ersten Weihnachtstag gibt es bei uns nur Jogginghose, Disneyfilme und viel Essen. Ganz ohne Besinnlichkeit oder Streit. So als wär Wochenende.

 

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