Ich glaube ich war ungefähr zwölf, als ich eine Brieffreundin in Russland hatte. Sie war auch in meinem Alter. Und deswegen konnten wir beide weder gut Englisch, noch konnte sie Deutsch oder ich Russisch. Also brachte ich die russischen Briefe zu einem russischen Mädchen aus meiner Klasse, die sie jedes Mal mit großer Geduld für mich übersetzte. Auch meine Brieffreundin hatte jemanden, der meine deutschen Briefe für sie übersetzte. So dauerte es immer ewig, bis man eine Antwort erhielt, aber das war okay. Ich freute mich immer um so mehr, wenn wieder ein Brief in kyrillischer Schrift im Postkasten lag.
Wann haben wir eigentlich aufgehört Briefe zu schreiben? Die Antwort ist einfach. E-Mail, Facebook und Co. Aber ist das nicht was anderes? Natürlich hätte ich mich auch über eine russische E-Mail gefreut, aber dann hätte ich den Text einfach grob mit Google translate übersetzt und wär nicht wie eine Verrückte mit einem Geheimdokument in die Schule gerannt, um zu erfahren, was meine russische Freundin vor drei Wochen gegessen hat. Eine E-Mail hätte ich sofort beantwortet und wär am nächsten Tag enttäuscht gewesen, dass ich noch keine erneute Antwort habe. Die Mails würden immer kürzer werden. Man würde sie irgendwann lesen und vergessen zu antworten. Und Wochen später schreibt man eine Entschuldigungsmail, auf die man dann keine Antwort mehr bekommt.
Aber ein Brief. Ein heiliger Brief. Mit Briefpapier und Tinte. Mit Linien zeichnen und Stickern. Für den man extra Briefmarken kaufen musste. Für den man extra zu einem Briefkasten laufen musste. Den man dann hineingeworfen hat, mit dem Gefühl, dass er jetzt auf eine lange Reise geht. Wie lange er wohl braucht? Und auf dem Rückweg vom Briefkasten überlegt man, ob man wirklich die richtige Adresse drauf geschrieben hat. Und ob das Porto reicht.
Wann hast du das letzte Mal einen Brief geschrieben? Also einen wirklich persönlichen. Vielleicht sogar einen Liebesbrief. Ja genau, wann hast du das letzte Mal einen Liebesbrief geschrieben oder bekommen? Es muss nichts kitschiges sein. Aber die eigene Schrift sagt schon mehr aus, als tausend nette Worte in einer E-Mail. Liebes-E-Mail. Das Wort allein ist schon scheiße.
Vielleicht sollten wir wieder anfangen mehr persönliche Briefe zu schreiben. Kleine schriftliche Nachrichten. Es muss ja nicht dauernd sein und auch nicht seitenlang. Sonst sind Briefe irgendwann auch nichts besonderes mehr. Aber schöne und ehrliche Worte von den Liebsten geben einfach ein wohliges Gefühl. Einfach ein bisschen Liebe in Papierform.